In den Schachtgräbern dieser Gruppe wurden während der NS-Herrschaft im Wiener Landesgericht durch das Fallbeil hingerichteten Menschen verscharrt. (1)
Da zwischen Urteilsverkündung und Hinrichtung viele Wochen und Monate vergingen, konnte logischerweise nicht schon zu diesem Zeitpunkt der Zentralfiredhof verständigt werden. 24 Stunden vor der Vollstreckung wurde das Anatomische Institut der Universität über die anfallenden Leichen informiert wurden, denn es gab die Regelung, dass die Leichen der Hingerichteten jeweils ans nächstgelegene Anatomische Institut abgeben werden müssen! Dort wurden sie für unterschiedliche Zwecke verwendet. Erst wenn die Leichenteile (Rumpf und Kopf wurden zwar in einem Sarg angeliefert, doch waren diese i.d.R. bei unterschiedlichen Anatomieprofessoren in „Verwendung“. Wurden die Leichenteile nicht mehr benötigt, verständigte das Anatomische Institut (in Wien), die Verwaltung des Zenralfriedhofs über die am nächsten Tag erfolgte Anlieferung von XYZ Särgen (denen pro forma Namen zugeordnet waren). Diese erhielten von der Friedhofsverwaltung eine Grabnummer in der Gruppe 40 und wurden dann in den jeweiligen Schachtgräbern – unter Bewachung eines Gestapobeamten und unter Geheimhaltung – beigesetzt. Auch die Angehörigen erfuhren erst nach 1945, wo ihre ermordeten Familienmitglieder lagen.(12)
Nach der Annexion Österreichs durch Nazideutschland (März 1938) wurde sofort mit der Errichtung eines eigenen Hinrichtungsraumes innerhalb des Hauses (Wien 8, Landesgerichtsstraße 11) begonnen. Am 22. November war er fertig und mit einer Guillotine ausgestattet. In der Folge wurden in diesem Hinrichtungsraum bis zur letzten Hinrichtung am 4. April 1945 in der überwiegenden Mehrheit Menschen ermordet, die auf die eine oder andere Art Widerstand gegen das Naziregime geleistet hatten und von der Unrechtsjustiz der Nazis in der Regel wegen Hochverrats (§ 81) verurteilt worden waren. Nach Kriegsbeginn wurde das Anklageszenario noch um die so genannte Wehrkraftzersetzung, Fahnenflucht u.ä. Delikte ausgeweitet, welche die Blutjustiz als Bedrohung der Existenz Nazideutschlands wertete.
Wegen Hochverrats wurden im LG I
- 1942 – 97 Menschen hingerichtet,
- 1943 – 226,
- 1944 – 180 und in den wenigen Wochen der Naziherrschaft
- 1945 noch 23.
Weil das LG I bis 1943 der Hinrichtungsort auch der Oberlandesgerichtsbezirke von Graz und Brünn war (bis 1940 gehörte auch der Bezirk Znaim dazu), wurden hier neben den explizit in dieser Broschüre erwähnten Tschechoslowaken auch viele Steirer, einige Burgenländer und zahlreiche kärntnerisch-slowenische WiderstandskämpferInnen exekutiert. Angehörige der deutschen Wehrmacht (die von Wehrmachtsgerichten zum Tode verurteilt worden waren) wurden in Wien auf der Schießstätte in Kagran erschossen, einige aber auch im LG I geköpft und in der Folge in der Gruppe 40 beerdigt. Es waren wahrscheinlich mehr als 1000 Personen, die man hier geköpft hat.4 In Kagran wurden auch die vom Obersten SS- und Polizeigericht zum Tode Verurteilten erschossen, wie z.B. die Angehörigen der Wiener Feuerwehr Hermann Plackholm und Johann Zak.
Die Guillotine – Instrument zur massenhaften Tötung von Menschen
Nach der Annexion Österreichs durch Nazideutschland im März 1938 wurde ab Dezember 1938 mit der Exekution von zum Tode verurteilten Menschen begonnen.
Vom 1. Dezember 1938 bis 4. April 1945 wurden ca. 1200 Menschen im Hinrichtungsraum des Landgerichts Wien geköpft. Mehr … (11)
Da ab Ende 1942 die Blutrichter der Nazijustiz in rasendem Tempo immer mehr Menschen zum Tode verurteilten, führte diese Überbelastung der Wiener Guillotine zur Aufstellung einer weiteren im Grazer Landesgericht. (s. dazu den Beitrag von Heimo Halbrainer Steirer als Opfer der Wiener Blutjustiz 1942–43.) (6)
„Mit einer 1 Meter langen Stahlkette am linken Fuß und an der rechten Hand mit einer langen Stahlkette gefesselt, schreibe ich diesen meinen letzten Brief, denn ich weiß, es geht mit mir zu Ende. Nur weil ich für den Sozialismus bin und für die Armen, für ein schöneres Leben, für Recht und Freiheit stets mein kleines Opfer gebracht habe, werde ich bald nicht mehr sein. Ich will und werde aufrecht sterben, so wie ich gelebt habe.“
Robert Kurz, Mitglied der verbotenen KPÖ und von Beruf Schneider, schrieb diese Zeilen in seinem Abschiedsbrief, bevor er am 28. 1. 1943 am Wiener Landesgericht hingerichtet wurde. (7)
DWORAK Therese, geb. Wurm
Hilfsarbeiterin – Widerstand der Arbeiterbewegung (KPÖ)
Geb. am 12. Oktober 1899 in Wien
Gest. am 21. Juni 1944 (hingerichtet) – (8)
In einem solchen Schreiben vom 8. November 1944 heißt es etwa über die Beerdigung von fünfzehn hingerichteten Personen:
„Ich nehme Bezug auf die mit der Gemeinde Wien, städt. Leichenbestattung unter Dr. Rö/Z am 11. 2. 1943 getroffene Vereinbarung und teile mit, dass nachbenannte zum Tode Verurteilte heute hingerichtet werden. Die Leichen werden durch die Gemeinde Wien in den Abendstunden, etwa 18 Uhr 30 von der ho. Untersuchungshaftanstalt in die gesperrte Abteilung des dortigen Friedhofes übergeführt, und bitte ich die Beerdigung sofort durchführen zu lassen. Die Leichen sind den Angehörigen zur Beerdigung nicht freigegeben, es darf daher außer den Polizeibeamten an der Beerdigung niemand teilnehmen. […] Das Polizeiamt Simmering und die Geheime Staatspolizei ist von der Überführung von hier aus in Kenntnis gesetzt worden.“ (3)
Die Angehörigen wurden von der Hinrichtung verständigt, nicht aber darüber, was mit der Leiche passiert war. Sie wurde in den meisten Fällen behördlich „nicht freigegeben“. So heißt es z.B. in einer Mitteilung an den Vater des hingerichteten Anton Mayer:
„Das Urteil gegen Ihren Sohn Anton ist am 22. Oktober 1943 vollstreckt worden. Ihrem Antrag auf Herausgabe des Leichnams vermag ich nicht zu entsprechen.“(4)
Ähnlich das Schreiben an die Familie des hingerichteten Leo Gabler:
„Der Herr Oberreichsanwalt beim Volksgericht Berlin teilt mit, dass die Leiche des am 7. Juni 1944 hingerichteten Leo Gabler amtlich bestattet worden ist. Nähere Auskunft zu geben, bin ich nicht in der Lage …“.
Johanna Cupal – Hinweis auf ihr Schicksal im Kurier am 11. März von 2015 unter dem Titel – Gedenkstunden für die Opfer des NS-Regimes
Am 1. November 1945 gedachte die Stadt Wien auf dem Zentralfriedhof, Gruppe 40, in einer Gedenkfeier jener Opfer des Nationalsozialismus, die im Wiener Landesgericht enthauptet wurden. In seiner Gedenkrede kam Bürgermeister Theodor Körner auch auf den Zustand der Grabstätte zu sprechen und meinte dazu:
„Die Stadt Wien hat diese Feier am Tage der Toten veranstaltet, um allen Opfern faschistischer Unterdrückung, welcher politischen Richtung immer sie angehört haben mögen, ihren Gruß zu entbieten. Die Stadt Wien wird, was sterblich war an den Blutzeugen des Faschismus, in einer gemeinsamen, würdigen Grabstätte bestatten, diese Grabstätte mit einem Denkmal schmücken und dieses Heldengrab der Freiheit in ihre besondere Obhut nehmen.“ (3)
„Die Vollstreckung verlief ohne Besonderheiten.“
Hinrichtungen in Wien, 1938 bis 1945
Herausgegeben von Brigitte Bailer, Wolfgang Maderthaner und Kurt Scholz
Ein Beispiel für die vielen hingerichteten Frauen – Zaynard-Schwarzer Hermine
26.5.1913 bis 19.11.1943, Technische Zeichnerin, Vorzugsschülerin du Absolventin der Schule für Kindergärtnerinnen, Funktionärin der Roten Falken Wien-Margarethen – sie wurde zwischen 1934 und 1938 dreimal verhaftet, saß 2,5 Jahre im Frauen-ZH Wiener Neudorf – aus einem Brief vom 3.10.1943
„Als ich vor Monaten eine Todesurteil nur in Gedanken in Erwägung zog, fuhren mir die Schauer durch die Eingeweide. Zeitweise litt ich unter regelrechten Angstpsychosen. Wenn ihr an einem kühlen Sommertag zaghaft und langsam in die Alte Donau tretet, überläuft euch auch ein Kälteschauer nach dem anderen, und wenn ihr euch erst kurz entschlossen in die Flut stürzt, merkt ihr, dass es gar nicht so schlimm ist. Ähnlich erging es mir mit dem Todesgedanken. Als ich durch die Verurteilung gewissermaßen hineingestoßen ward, stellte ich mit Staunen fest, dass ich mir das ganz ganz anders vorgestellt habe. Ich taste meine Psyche ab und stelle allemal mit Verwunderung fest, dass sich nirgendwo, auch nicht in den verborgensten Stellen Winkeln meiner seele Grauen, Furcht und Schrecken festgesetzt haben. Und nicht nur mir, sondern uns allen, die hier das „Schicksal“ vereint hat, ergeht es so. Nun mache ich es mit dem Leben mitunter so wie der Fuchs mit den Trauben, die er nur deshalb zu sauer bezeichnet hat, weil er sie nicht haben kann (..) Allerdings, wenn ich das Wehr öffne, sodaß sich die Flut meiner Liebe und Gedanken in das Strombett des Familienglückes ergießt, dann erfasst mich ein Weh und es ist, als leckten Lötflammen an dem eisernen Panzer, den ich mir ums Herz geschmiedet. Dass solches nicht oft geschieht, dafür sorgen wir eine für die nadere. (…) Wenn ihr mich besuchen kommt, müsst ihr euch zusammenreißen! Keine nasse Augen will ich sehen. Und meine Lieben, sollte es doch zum Ende kommen, so denkt daran, dass ich tapfer und gefasst sein werde.“ (10)
Die Altersstruktur der hingerichteten WiderstandskämpferInnen
Die Gruppe bis 25 Jahre ist um ca. ein Drittel größer als die der 25 bis 30-jährigen, was den hohen Anteil der Mitglieder der Komm.Jugend widerspiegelt, von denen etwa 30 geköpft wurden. Die mit Abstand größte Altersgruppe unter den Hingerichteten, ist die der 36- bis50-jährigen (55%). (9)
Am 11. März 2013 wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Teil der Gruppe 40 ein Festakt bei der Nationalen Gedenkstätte abgehalten. In diesem Bereich der Gruppe 40 sind unter anderem die „Spiegelgrund-Opfer“ und die Opfer der nationalsozialistischen Justiz beigesetzt.
Bundeskanzler Werner Faymann sprach in seiner Rede davon, dass bei diesem Thema der Zusammenhalt weit über die Grenzen der Parteien gewährleistet ist und dass niemals die dunkle Geschichte unseres Landes vergessen werden darf. Faymann sprach den Opferverbänden seinen Dank aus. Bei der Enthüllung der neuen Gedenktafel mahnte Faymann: „Es ist eine Botschaft und eine Erinnerung, niemals zu vergessen.“ (2)
Gruppe 40 als nationale Gedenkstätte
Ein paar Gedanken zur Gruppe 40 anläßlich eines Artikels in der Zeit Nr. 10/2015
Inhaltsverzeichnis:
(1) DÖW – Gedenken und Mahnen in Wien 1934 – 1945, Wien 1998, Deuticke Verlag, ISBN 3-216-30330-6, Seite 259
(2) http://www.friedhoefewien.at/eportal/ep/contentView.do/pageTypeId/13576/programId/22730/contentTypeId/1001/channelId/-22839/contentId/30948
(3) http://www.nachkriegsjustiz.at/vgew/1110_simmeringerhptstr_gruppe40.php
(4) Siehe dazu das in Gedenken und Mahnen in Wien… abgedruckte Faksimile (S. 261). Es handelt sich dabei um die 21 am 5. Dezember 1944 hingerichteten Personen, deren Beerdigung am 6. Dezember erfolgte. Die handschriftlichen Zusätze der Friedhofverwaltung vermerkten bei jedem Namen die Reihe (diese Personengruppe wurde ausschließlich in den Reihen 15 und 16 beerdigt), die Grabnummer, sowie in römischen Ziffern die Nummer der Lagen. Es finden sich auf Grund des späten Hinrichtungsdatums somit nur die III. und IV. Lage angegeben.
(5) Archiv der Alfred Klahr Gesellschaft
(6) http://www.klahrgesellschaft.at/Buecher/Gruppe40.html
(7) http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wissen/geschichte/463388_Die-Graeber-der-Gruppe-40.html
(8) http://www.univie.ac.at/biografiA/projekt/Widerstandskaempferinnen/Dworak_Therese.htm
(9) Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer, Willi Weinert, 3. Auflage, Stern Verlag, 2011, ISBN 978-3-9502478-2-4, Seite 71
(10) Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer, Willi Weinert, 3. Auflage, Stern Verlag, 2011, ISBN 978-3-9502478-2-4, Seite 273
(11) https://rotbewegt.at/epoche/1933-1945/artikel/die-gruppe-40-am-wiener-zentralfriedhof
(12) Text von Willi Weinert bei der hilfreichen Richtigstellung der Blogeintragung