Gedenkstätte der Sozialdemokratie – Karl Seitz

s517693aDas „rote“ Wien

Unter Bürgermeister Karl Seitz, dem so hervorragende Mitstreiter wie Hugo Breitner, Julius Tandler, Otto Glöckel und Robert Danneberg zur Seite standen, vollzog sich von 1923 bis 1933 in Wien jenes beispielhafte Aufbauwerk, das die Bewunderung der ganzen Welt erregte. (3)

Bis heute ist Wien die einzige Millionenstadt der Welt, wo die Sozialdemokratie die stärkste politische Kraft ist und mit Ausnahme der Kriegs- und Faschismuszeiten seit der Republiksgründung den Bürgermeister stellt.

Der Lebenslauf von Karl Seitz:

1869
Geburt in Wien
1875
Sein Vater (Holzhändler) starb als Karl Seitz 6 Jahre alt war.
1880
Seine Mutter konnte die 8 Kinder nicht ernähren und gab ihn in ein Waisenhaus.
1896
gründete er den „Zentralverein der Wiener Lehrerschaft“, trat der radikaldemokratischen Lehrervereinigung „Die Jungen“ bei und beteiligte sich an der Erarbeitung des ersten sozialdemokratischen Bildungsprogramms.
1897
wurde er zum Obmann des jungen Zentralvereins der Wiener Lehrerschaft gewählt. Wegen seiner politischen Tätigkeit wurde er entlassen.
1900
heirateten  Karl Seitz und die Lehrerin Emilie Heindl.
1901
wurde Seitz im Wahlkreis Floridsdorf in den Reichsrat gewählt.
1902
Wahl in den niederösterreichischen Landtag. Die Zeit schreibt in seinem Nachruf:

Als der  junge sozialdemokratische Abgeordnete Karl Seitz in seiner Jungfernrede im niederösterreichischen Landtag der christlich-sozialen Mehrheit übel zusetzte, rief ihm ein Gegner zu: „Daß ihr, die G’scheitern seid, wissen wir ja, aber wir sind die Mehrern…!“

1910
In den Resolutionen zum Budget für das Jahr 1910 forderten die Sozialisten die Verkürzung der Arbeitszeit. Karl Seitz forderte die 36stündige Sonntagsruhe für die Bediensteten der Tabakfabriken, die Einführung von Ruhepausen in der Dauer von anderthalb Stunden für die Hüttenwerke und die Sonntagsruhe für die Mühlenarbeiter. (1)
1915
war Seitz der erste führende Sozialdemokrat, der offen
gegen den Krieg auftrat.
1918
Mitglied des Nationalrates
Nach dem Tod Victor Adlers übernahm er den Parteivorsitz.
Bei der errichtung der Republik wurde er einem der drei Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung gewählt.
1919
Am 3. März wurde er zum Ersten Präsidenten und damit zum ersten Staatsoberhaupt der neuen Republik gewählt. (bis Dezember 1920)
1923
Bürgermeister von Wien
1927
Das Jahr 1927 war in mehrfacher Hinsicht ein Wendejahr für den 57jährigen Bürgermeister. Bei den Gemeinderats-wahlen in Wien erhält Seitz knapp 61% der Stimmen und wird als Wiener Bürgermeisters bestätigt. Die österreichische Demokratie der Ersten Republik hatte ihren Zenit aber bereits überschritten.
1929
Am 6. September  verlieh ihm der Gemeinderat das Ehrenbürgerrecht
1930
Karl Seitz – Wahlrede für die Nationalratswahl vom 9. November 1930
1934
Am 12. Februar 1934 wurde Seitz in seinem Arbeitszimmer im Rathaus verhaftet und blieb ohne Anklageerhebung bis Jahresende in Haft.
1938
Seitz weigerte sich jedoch, Österreich zu verlassen – auch nach dem „Anschluss“ 1938 – anschließende Verhaftung durch die Gestapo.
1944
Als nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler am 20. Juli Unterlagen gefunden wurden, die auch Karl Seitz belasteten, wurde er neuerlich verhaftet und ins KZ-Ravensbrück gebracht.
1945
Nach der Befreiung des Lagers dauerte es mehrere Wochen, bis Seitz sich unter vielen Schwierigkeiten und Gefahren in die Heimat durchschlagen konnte, wo er im Juni 1945, schwer krank und völlig entkräftet, ankam.
Im Dezember 1945 übernahm Karl Seitz den Vorsitz in der SPÖ.
Von Ende 1945 gehörte Seitz wieder dem Nationalrat an. Als Alterpräsident sprach am 19. Dezember die ersten Worte der Nationalratssitzung: (6)

„Elf schwere Jahre haben wir überstanden“ rief er aus. „Die letzten acht Jahre haben hier in diesem Hause Barbaren gewütet. Sie haben mit ihren Stiefeln der SS den historisch geheiligten Boden getreten…“

seitz1946
Wahl zum Ehren­vorsitzenden der SPÖ auf Lebenszeit.
1950
† 3. Februar 1950 Wien 19, Himmelstraße 43 (Zentralfriedhof, Ehrengruftanlage, Gruppe 24, Reihe 5, Nummer 4).

1962
Enthüllung des Karl Seitz – Denkmals

 

Sozialisten und der 20. Juli 1944 – Eine Schilderung von Karl Seitz selbst:

Die Geschichte des mißglückten Attentats mit seinen Folgen ist in großen Zügen bekannt; viele, viele Unschuldige wurden in diesen Tagen die Opfer der Verfolgungen der Gestapo. Auch für mich war das Ereignis bedeutungsvoll.
Ich saß am gleichen Tag in meinem Arbeitszimmer und las. Etwas um 12 Uhr nachts wurde an der Wohnungstür stürmisch geläutet. Beim Öffnen erklärten einige Männer, sie kämen von der Luftschutzpolizei. Aber als sie in meinem Zimmer waren, legitimierten sie sich als Gestapoagenten und erklärten, sie hätten den Auftrag, mich zu verhaften.
Ich wurde in ein Auto gebracht, das mich in das berüchtigte Gestapogebäude auf den Morzinplatz brachte. Gleich beim ersten Verhör erfuhr ich, daß es sich fürs erste um den Besuch von Goerdeler bei mir handle. Ich gab eine entsprechend klare Auskunft, in der ich den Besuch eben als harmlos hinstellte. Aber die Gestapo hielt mich fest. Ich wurde nicht mehr freigelassen. Wenige Tage später wurde ich nach einer ärztlichen Untersuchung nach Berlin gebracht, übrigens zusammen mit dem niederösterreichischen Bauernführer Reither. Wir wurden abwechselnd in einigen Gefängnissen festgehalten und kamen zuletzt nach Moabit. Man vertröstete uns, wir würden an einen Ort gebracht wewrden, der im Vergleich zu Moabit „geradezu eine Sanatorium“ sei und kamen – in das Konzentrationslager Ravensbrück, in dem meist Frauen festgehalten wurden und nur eine kleine Abteilung für Männer bestand. Der Direktor beschimpfte uns dort oft und oft, aber was waren diese kleinen Belästigungen gegenüber den Greueln, die sich in der Frauenabteilung ereigneten. Ich denke heute noch mit tiefen Entsetzen an das Schreien der armen Frauen, die geprügelt wurden und in der Nacht stundenlang barfuß im Schnee stehen mußten. Eine besonders Quälerei war es nachts die Nummer eines Gefangenen aufzurufen, der dann meist entweder zur Folterung oder zum Erschießen geführt wurde. Ich habe auch damals meine Nerven nicht verloren, denn ich sagte mir täglich vor, wir dürfen gerade jetzt nicht verzweifeln. All die langen Jahre vorher hatte ich traumlos geschlafen, aber jetzt noch, so lange Zeit nach der Befreiung, werde ich von schweren Träumen geplagt, höre die Schritte der Wachen, die Rufe der Gepeinigten…(4)

DenkmalKarl Seitz – Denkmal

Stifter: Seitz Denkmal-Verein
Gestaltet von Gottfried Buchberger
Enthüllung des Denkmals am 28. April 1962 durch Bürgermeister Franz Jonas. Attila Hörbiger sprach den Prolog von Josef Luitpold Stern. Musikalisch umrahmt wurde die Feierlichkeit von den Musikkapellen der Stadt Wien. (5)

Pointen aus dem Leben des Karl Seitz:

Sind Sie der Sohn vom reichen oder vom gscheiten Kreisky?

Karl Seitz, als ihm der junge Kreisky vorgestellt wurde. Kreiskys Vater war Textilfabrikant, sein Onkel Rudolf der geistige Wegbereiter der Konsumgenossenschaften.

Majestät, auch das Proletariat hat sein Zeremoniell

Seitz – er kam im Gehrock – auf die Frage von Franz Joseph, warum sich die Sozialisten weigerten einen Frack zu tragen. Zitiert von Bruno Kreisky in „Die Zeit in der wir leben“. (2)

Quellenangaben:

Weblexikon der Sozialdemokratie
Rot bewegt
Wien  – das Geschichte WIKI
Blog von Alexander Spritzendorfer
(1) Der Kampf – sozialdemokratische Monatsschrift – vierter Band – Wien 1911, Verlag von Georg Emmerling, Seite 364 – der Kampf um den Achtstundentag
(2) Gerhard Vogl – Land der Pointen, Österreich, 2009, Verlag Kremayr & Scheriau Wien, ISBN 978-3-218-00803-7, Seiten 22 und 81
(3) Hans Hautmann, Rudolf Kropf – die österreichische Arbeiterbewegung vom Vormärz bis 1945 – Europaverlag 1978, 3. Auflage, ISBN 3-203-50696-3, Seite 146
(4) Widerstand und Verfolgung in Wien 1934 – 1945 – Band 2, Österr. Bundesverlag, Wien Jugend und Volk, 2. Auflage 1984, ISBN 3-215-05507-4, Seiten 75 und 76
(5) Gedenken und Mahnen in Wien 1934 – 1945. DÖW Hrsg., Deuticke Wien 1998, ISBN 3-216-30330-6, Seite 58
(6) Richard Charmatz – Vom Kaiserreich zur Republik, Jedermann Verlag Wien, 1947, Seite 235

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